2020-10-06  Willmandingen → Jungingen

10ter TagStartzeit07:40Distanz23,4kmHm ↑446m
9te EtappeAnkunft14:31Insgesamt232,0km (241,2km)Hm ↓597m

Ich hatte beschissen geschlafen. Zum einen hatte ich zuviel gegessen. Zum anderen war es in dem Zimmer unerträglich warm. Warum weiß ich nicht. Vielleicht waren Kühlmaschinen oder der Heizungsraum unter meinem Zimmer. Ich versuchte das Fenster ganz aufzumachen (also nicht nur gekippt), aber der heftige Wind draußen drückte es immer wieder zu. Ich fand nichts passendes mit dem ich das Fenster hätte blockieren können.

So stand ich ziemlich gerädert kurz nach 6:00 auf. Ich gönnte mir erstmal eine Dusche um etwas wacher zu werden. Um 6:45 ging ich hinunter zum Frühstücksraum. Doch seltsam: alles dunkel. Gemäß dem Aushang an der Rezeption sollte es ab 6:30 Frühstück geben. Ich ging also zurück auf mein Zimmer, wurschtelte noch ein bisschen rum und versuchte um 7:00 nochmal mein Glück. Immer noch alles dunkel.

So entschied ich mich für Plan B - Müesli auf dem Zimmer. Ich wusste ja nicht wann und ob überhaupt Frühstück geboten würde.

Um kurz nach 7:30 erschien ich an der Rezeption zum Auschecken. Aber trotz Klingeln erschien niemand. Interessanterweise hatte inzwischen doch irgend jemand Frühstück zubereitet und ein einsamer Gast bediente sich am Buffet.

Ich war ziemlich angefressen. Ich hinterließ einen Zettel den ich auf die Computer-Tastatur legte auf dem ich darum bat mir die Rechnung per Email zu schicken und dass sie mir das Frühstück nicht in Rechnung stellen sollen. Im Rückblick bin ich froh, dass mir in dieser Stimmung niemand vom Hotel persönlich begegnet ist. Um 7:40 kam ich los.

Der Wetterbericht für den Tag versprach nichts Gutes. Ziemlich frisch, heftiger Wind, immer wieder Regen und den ganzen Tag vollständig bedeckt. Ich stellte mich mental auf eine katastrophale Etappe ein. Immerhin war es beim Aufbruch noch trocken und ein paar Strahlen der Morgensonne schafften es tatsächlich bis zum Boden.

Eine knappe Stunde später der erste Blick auf Talheim.

Talheim

Es war zwar wirklich frisch und windig, aber die geschlossene Wolkendecke war nur noch dünn und geregnet hatte es auch noch nicht.

Ich durchquerte Talheim von der offiziellen Route abweichend auf dem kürzestmöglichen Weg. Am Ortsausgang versuchte ich kurz auf OSMAND eine andere Route zu finden, um das Zickzack zu vermeiden das mich in Kürze erwarten würde. Aber ich fand nichts auf die Schnelle. Erst ein paar 100m weiter bot sich die Möglichkeit über eine frisch gemähte Wiese abzukürzen.

Hier riss tatsächlich der Himmel auf. Die schöne Herbstlandschaft zeigte ihren Reiz.

Hinter Talheim

Wieder ein kleines Stück weiter fand ich in der Wiese einen Spielzeugdrachen. Er war mit einen kleinen Zweig verheddert. Wahrscheinlich war der Drachen ursprünglich in einem Baum hängen geblieben und bei dem Wind in der vergangenen Nacht samt Zweig abgerissen. Ich verwendete einige Mühe den Drachen von dem Zweig zu befreien. Mangels Alternativen hängte ich den Drachen dann an einen Wegweiser. Lustig schaukelte er da im Wind.

Spielzeugdrachen

Ich ging weiter. Als ich nach 100m nochmal zurück blickte hatte sich der Drachen schon gelöst und lag wieder in der Wiese. Schade.

Jetzt kam ich am Mössinger Bergrutsch vorbei. Dort ist im April 1983 ein gewaltiges Stück (mehrere 100m breit, bis zu 30m tief) von der Albtrauf abgerutscht. Das viele Hektar große Schuttfeld das dabei entstand wurde zum Naturschutzgebiet erklärt und sich selbst überlassen. Heute steht auf dem Schutt ein Jungwald, so dass von dem Trümmerfeld nichts mehr zu sehen ist. Ein bisschen lässt sich die Situation vor 37 Jahren noch erahnen, wenn man auf das Gelände unmittelbar unterhalb der Felswand blickt, die durch den Bergrutsch entstanden ist.

Mössinger Bergrutsch

Kurz danach traf ich den ersten zweifelsfreien Fernwanderer. Ein junger Mann aus Norddeutschland der in 6 Tagen von Tuttlingen bis Reutlingen unterwegs war. Er befand sich gerade auf der vorletzten Etappe. Genächtigt hat er im Freien in einem Tarp. Dementsprechend schwer bepackt war er auch. Aber so optimal war seine Ausrüstung nicht: Er lief in leichten Sneakers und hatte keine Stöcke dabei. Nach eigener Aussage hatte er nicht damit gerechnet mit so vielen Steigungen konfrontiert zu werden.

Gegen 10:45 erreichte ich den Dreifürstenstein, der so heißt weil sich dort vor langer Zeit die Gebiete von drei Fürstentümern trafen. Von hier gab es eine ausgezeichnete Sicht über das Vorland unterhalb der Alb. Die Burg Hohenzollern nun schon deutlich näher.

Burg Hohenzollern vom Dreifürstenstein aus

Interessant, dass ich hier und ein Stück weiter jeweils einer Gruppe Senioren begegnete die trotz der miserablen Wettervorhersage unterwegs waren.

Und tatsächlich gegen 11:30 erreichte mich der Regen und ich musste den Poncho anziehen. Kurz darauf meldete sich der erste zaghafte Hunger. In einer kurzen Regenunterbrechung fand ich mit OSMAND heraus, dass auf dem Köhlberg ein Unterstand existierte. Angesichts der äußerst ungemütlichen Bedingungen an der Albtrauf (Kälte, Starkwind und Regen) für mich die einzige Möglichkeit meine Brotzeit einnehmen zu können.

Um 12:45 kam ich dort an. Leider war der Unterstand ziemlich verdreckt. Aber ich hatte inzwischen großen Hunger und keine andere Wahl. Also machte ich dort meine Brotzeit. Meinen Poncho ließ ich vorerst an, weil er auch ein bisschen wärmte. Von dort oben hatte man einen schönen Blick auf das Starzeltal, Jungingen und die Burg Hohenzollern in der Ferne.

Starzeltal

Um 13:25 zog ich weiter. Da der Regen zwischenzeitlich aufgehört hatte konnte ich den Poncho wieder einpacken.

Es war nicht mehr weit bis zu meinem Tagesziel. Leider erwischte mich 2km vor dem Ziel nochmal der Regen. Um 14:31 kam ich beim Hotel Post in Jungingen an.

Das Haus war gut in Schuss. Kein Vergleich mit der Unterkunft in Willmandingen. Einziger großer Nachteil: Das Hotel lag direkt an der B32 die reichlich von Schwerlastverkehr befahren wurde.

Weil ich so früh dran war fragte ich nach, ob ich die Sauna benutzen könnte. Aber wie schon fast erwartet stand diese corona-bedingt nicht zur Verfügung. Somit hatte ich umso mehr Zeit für die Dusche, die Wäsche und ein kleines Nickerchen. Ungefähr um 17:30 rief ein Herr vom Hotel in Willmandingen an. Er entschuldigte sich bei mir für den Unbill am Morgen und bot mir an die Rechnung um 10€ zu reduzieren. Ich fand das war ein korrekter Zug und sagte ihm das auch. Er brauchte noch meine Email-Adresse um mir die Rechnung schicken zu können.

Zum Abendessen gab's Schnecken, Pasta und Panna Cotta. Alles war bestens, die Angestellten sehr freundlich und professionell. Nur auf die Fahrstuhlmusik im Restaurant hätte ich verzichten können.